Die Porschefahrt mit dem Staatsanwalt, oder: Reden ist Silber, schweigen ist Gold

Sicherlich haben Sie von den Fällen gehört, in denen jemand Post bekommt mit einer Rechnung für etwas, das er nie bestellt hat. Einen solchen Fall haben wir vor dem Amtsgericht Oldenburg in Holstein — das ist ein kleiner Ort an der Ostseeküste bei Fehmarn – verhandelt. Mein Mandant war angeklagt, einer Frau eine Rechnung für angebliche Werbeanzeigen per Fax übersandt zu haben, die sie nie in Auftrag gegeben hatte. Anschließend soll er zweimal bei ihr angerufen haben unter dem Vorwand, die Kontodaten kontrollieren zu wollen.

Das wirklich heikle an der Sache war: Die Rechnung war auf dem Briefkopf der Firma meines Mandanten erstellt worden und mein Mandant sitzt zurzeit im offenen Vollzug eine Haftstrafe ab für Betrugstaten, welche er genauso mit der gleichen Firma begangen haben soll. Wenn Inhaftierte aus der Haft heraus mit genau den Straftaten weitermachen, welche sie ins Gefängnis gebracht haben, verstehen Staatsanwälte und Richter wenig Spaß. Dementsprechend schwierig war der Prozess für uns.

Die Verwunderung war für den Staatsanwalt und die Richterin groß, als die Schwester meines Mandanten aussagte, dass sie selbst die Rechnung abgeschickt und ihr Bruder sie dafür im Nachhinein sogar noch ausgeschimpft habe. Was blieb waren die beiden misteriösen Anrufe, bei denen die Richterin sich sicher war, dass mein Mandant sie getätigt hatte. Mein Mandant schwieg während des ganzen Prozesses.

Am Ende beantragte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung und ich einen Freispruch. Die Spannung war groß, wie das Urteil lauten würde. Freispruch! Aber nicht etwa, weil meinem Mandanten die Anrufe nicht nachzuweisen waren. Sondern weil die Richterin es für möglich hielt, dass mein Mandant garnicht mit dem Ziel einen Betrug zu begehen bei der Frau angerufen hatte, sondern er sie vielleicht gerade davon abhalten wollte, die Rechnung zu bezahlen. So war auch meine Argumentation im Plädoyer gewesen. Klären konnten wir den genauen Inhalt der Telefonate heute nicht mehr, da die geschädigte Frau aufgrund einer erst kürzlich eingetretenen schweren Behinderung keine wirkliche Erinnerung mehr an den ganzen Vorfall hatte.

Für meinen Mandanten ist der Freispruch von enormer Bedeutung. Wäre er wie vom Staatsanwalt beantragt verurteilt worden, hätte er nicht nur 10 Monate länger in Haft verbringen müssen. Er wäre sofort in den geschlossenen Vollzug verlegt worden, hätte seinen Job verloren und keine Chance mehr auf eine vorzeitige Entlassung gehabt.

Ich werde nicht nur den Prozess selbst in Erinnerung behalten, sondern auch die Heimfahrt danach. Da von Oldenburg kein Zug an dem Tag mehr fuhr, brachte mich der Staatsanwalt mit seinem Porsche zum Hauptbahnhof nach Lübeck. Es war meine erste Porschefahrt und ich hätte nicht gedacht, dass diese ausgerechnet mit einem Staatsanwalt auf Staatskosten stattfindet. Es ist aber doch beruhigend, dass man den Kampf vor Gericht dann auch wegstecken und wieder normal miteinander umgehen kann.

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