Ein junger Mann hat mich aufgesucht, weil er vom Amtsgericht Osnabrück wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen (800 Euro) verurteilt wurde. Er habe sich nur verteidigt gegen die Frau, die als mutmaßliche Geschädigte gegen ihn ausgesagt hatte. Er habe also in Notwehr gehandelt. Das Problem an dem Fall war aber, dass die Frau, die ihn nach seiner Schilderung angegriffen haben soll, schwer behindert ist: Sie hat nur ein Bein.
Außerdem hatte die Polizei festgestellt, dass mein Mandant fast 2 Promille Alkohol im Blut hatte, was es in der Regel noch schwieriger macht den Richter dazu zu bringen, dem Angeklagten zu glauben. Keine gute Ausgangslage. Obwohl die Chancen für ein besseres Ergebnis sehr bescheiden waren und auch die Geldstrafe für eine gefährliche Körperverletzung sehr milde war (das Gesetz sieht eigentlich eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren vor), haben wir uns entschieden, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Mit Erfolg: Die Berufungshauptverhandlung ging über 3 Termine und es stellte sich tatsächlich heraus, dass die verletzte Frau sehr aggressiv war und auch den ersten Schlag – mit ihrer Krücke – getätigt hatte. Einen Freispruch erhielt mein Mandant trotzdem nicht, da sich zeigte, dass er die Frau auf den Kopf geschlagen hatte zu einem Zeitpunkt, zu dem sie meinen Mandanten schon längst nicht mehr angriff. Seine Strafe wurde aber noch einmal deutlich verringert auf 40 Tagessätze (320 Euro). Mein Mandant und ich sind zufrieden, nicht hingegen die Staatsanwältin. Sie will sich überlegen, ob sie Revision gegen das Urteil einlegt.